Outlaws – Die wahre Geschichte der Kelly Gang (2024)

Kritik

Outlaws – Die wahre Geschichte der Kelly Gang (1)

Geld ist in der Familie Kelly, die in den 1860ern am Rand der australischen Outbacks lebt, Mangelware. Als auch noch der Vater nach einem Gefängnisaufenthalt stirbt, sind die Aussichten auf ein besseres Leben praktisch null. Nur mit Mühe gelingt es Ellen (Essie Davis), für ihre Kinder zu sorgen, beispielsweise durch ihre diversen Liebhaber. An einen davon, Harry Power (Russel Crowe), vertraut sie den ältesten Sohn Ned (Orlando Schwerdt) an, der dem Gesetzlosen als Gehilfe dienen soll. Tatsächlich gerät er dabei auch schnell selbst mit dem Gesetz in Konflikt. Nach einer dreijährigen Haftstrafe versucht der inzwischen zu einem jungen Mann herangewachsene Ned Kelly (George MacKay) ein tadelloses Leben zu führen – doch der Vorsatz hält nicht lange an …

Wenn es um die neuere englischsprachige Literatur geht, dann führt kein Weg an Peter Carey vorbei – zumindest wenn es um das Renommee geht. Beispielsweise ist er nur einer von fünf Autoren, denen es gelungen ist, zweimal mit dem bedeutenden Booker Prize ausgezeichnet zu werden. Eines davon ist der im Jahr 2000 erschienene Roman True History of the Kelly Gang, in dem er die Geschichte des berühmten australischen Gesetzlosen erzählt. Das tut er jedoch auf seine Weise: Selbst wenn der Titel das verspricht, Carey fühlte sich in seinem Buch nicht wirklich dem verpflichtet, was über Ned Kelly bekannt ist. Er fügte hinzu, änderte ab, packte das Ganze in eine Nachricht an Kellys Tochter, die es vermutlich nie gegeben hat.

Wer war Ned Kelly?
Regisseur Justin Kurzel (Macbeth) behält die Ausführungen seines Protagonisten bei, der seine eigene Version der Ereignisse an die Nachwelt vererben wird. Tatsächlich ist True History of the Kelly Gang – deutscher Titel: Outlaws – Die wahre Geschichte der Kelly Gang –ein Film, der sehr viel mit Ambivalenz spielt und offen lässt, wie was genau zu deuten ist. Ist Kelly der gewissenlose Mörder, als der er dargestellt wurde? Ist er nur das Opfer der Umstände? Ist er vielleicht sogar ein Held, der sich gegen die Obrigkeiten auflehnt, die selbst nur ein marginales Interesse an Regeln und Gerechtigkeit haben? Kelly selbst schwankt bei seinem Fazit, überlässt es den anderen, Schlüsse zu ziehen, bittet nur darum, nicht alles zu glauben, was über ihn gesagt wird.

True History of the Kelly Gang ist damit ein Film über die Wahrheit und die vielen Grautöne, denen wir im Leben begegnen, zumal wir dem Erzähler selbst nicht unbedingt alles glauben dürfen. Er handelt aber auch viel von Determinismus und der Frage, ob Kelly überhaupt je die Chance hatte, der Kriminalität zu entkommen. Das zeigt sich gerade in der schwierigen Beziehung zu seiner Mutter, die ihren Kindern nicht viel Wahl ließ, nicht lassen wollte. Einer der interessantesten – wie tragischsten – Aspekte des Films ist, wie sich der junge Kelly gegen diesen Weg sträubt, anderes versucht, durchaus das Richtige tun will, nur um dann doch zu scheitern und das zu werden, was ihm immer vorgezeigt wurde.

Der Abstieg in den Wahnsinn
Das Ergebnis ist eine eigenwillige Mischung aus Drama, Western und Krimi, die sehr viel mehr an dem Umfeld und den Umständen interessiert ist als an den Taten, für die Kelly berühmt-berüchtigt wurde. Wer angesichts des Gesetzlosen-Themas erwartet, dass es hier von einem Shootout zum nächsten geht, der wird enttäuscht. Selten wird der Mann auch wirklich im Einsatz gezeigt. Die Male, wenn er das tut, sind dafür ausgesprochen sehenswert – auch weil George MacKay (1917) immer so aussieht, als wäre er kurz davor durchzudrehen. Der eigentlich für positive Figuren gebuchte Engländer mag nicht die naheliegendste Besetzung für die kriminelle Legende gewesen sein, was dem Film aber einen ganz eigenen Reiz verleiht. Denn hier ist jemand, der nicht dorthin gehört, der nirgends wirklich hingehört, und doch einen Platz sucht.

Das bedeutet auch einen Wandel in der Stimmung. Ist True History of the Kelly Gang, das auf dem Toronto International Film Festival 2019 Weltpremiere hatte, zunächst ein raues, düsteres Familienporträt, wird der Film mit der Zeit immer eigenartiger, teils richtig surreal. Ob es die affenartigen Bewegungen von MacKay sind oder die homoerotischen Szenen mit Nicholas Hoult, der hier Constable Fitzpatrick spielt, mit einem üblichen Historiendrama ist das kaum zu vergleichen. Kelly wird in dieser Darstellung zu einer Art rebellischem Punk, unterstützt von ungewöhnlichen Bildern und der passenden Musik Jed Kurzels, dem jüngeren Bruder des Regisseurs. Ein Mann, der wahnhaft gegen die Dunkelheit und Verzweiflung ankämpft, aber auch dafür, die Deutungshoheit über sein eigenes Leben zu behalten.

Credits

OT: „True History of the Kelly Gang“
Land: Australien, UK
Jahr: 2019
Regie: Justin Kurzel
Drehbuch: Shaun Grant
Vorlage: Peter Carey
Musik: Jed Kurzel
Kamera: Ari Wegner
Besetzung: George MacKay, Orlando Schwerdt, Essie Davis, Nicholas Hoult, Thomasin McKenzie, Charlie Hunnam

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Author: Dr. Pierre Goyette

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